Die Begena ist eine große zehnsaitige Leier und gehört zum traditionellen amharischen Erbe Äthiopiens. Die Amharen, die seit langem das politisch und kulturell dominierende Volk Äthiopiens bilden, bewohnen vor allem den zentralen und nördlichen Teil des Landes. Sie gehören mehrheitlich der monophysitischen orthodoxen Tewahido-Kirche an, die im frühen 4. Jahrhundert n. Chr. gegründet wurde.

Musik spielt im Leben der Kirche eine sehr wichtige Rolle. Die Liturgie wird größtenteils gesungen und im Gegensatz zur weltlichen Musik ausschließlich von Schlaginstrumenten begleitet. Die Begena nimmt eine besondere Stellung ein, da sie als einziges Melodieinstrument ausschließlich dem spirituellen Repertoire gewidmet ist. Aufgrund ihres mythischen Ursprungs genießt sie hohes Ansehen. Der Überlieferung zufolge wurde die Begena König David von Gott geschenkt und von Menelik I. zusammen mit der Bundeslade nach Äthiopien gebracht. Sie war schon immer das Instrument von Königen und Adligen. Gespielt von frommen Gelehrten und Schriftstellerinnen, verbreitete sie sich nie. Doch auch unter dem Derg-Regime (1974–1991), das das Instrument verboten hatte, verschwand es nie.

Unter den amharaischen Saiteninstrumenten ist die Begena das sorgfältigst gefertigte, insbesondere im Hinblick auf den kunstvoll geformten Querbalken. Ihre zehn Darmsaiten werden mehrfach gereinigt und gedreht. Der charakteristische, schnarrende Klang, der von keinem anderen amharaischen Instrument erreicht wird, entsteht durch die Enzirotch, kleine Lederstücke zwischen jeder Saite und dem Steg. Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Klangerzeugung, indem sie einen kurzen Kontakt zwischen der Saite und dem oberen Rand des Stegs herstellen und so die Schwingungseigenschaften der Saite verändern. Dadurch wird das Klangspektrum deutlich erweitert (bis über 10 kHz).

Die Begena ist ein sehr kraftvolles Instrument; sie hält den Teufel dreißig Schritte fern, und ihre Anwesenheit im Haus vertreibt böse Geister. Priester und Prediger empfehlen ihre Verwendung, insbesondere während der Fastenzeit (Fassika Tsom), wenn die orthodoxen Amharen über ihre Sünden nachdenken und Buße tun. Aufgrund ihrer spirituellen Bedeutung weckt die Begena intensive Emotionen. Manche Musiker sind der Meinung, dass sie durch das Spielen der Begena in direkten Kontakt mit Gott oder der Jungfrau Maria treten. Die religiöse Rolle der Begena wird durch die Form des Instruments unterstrichen; jedes Teil symbolisiert ein wichtiges Element des Glaubens. Der Querbalken beispielsweise, der sich über die gesamte Breite des Instruments erstreckt, repräsentiert Gott, der über allem steht. Der Bauch, der den Klang "gebiert", repräsentiert die Jungfrau Maria, und die zehn Saiten erinnern an die Zehn Gebote.[info sheet from distr.]